Linz, ein Heimspiel und nervige Freunde: Ein Konzertsommer 2023

Dieses Foto entstand am Volksstimmefest am Wiener Prater. Nächstes Jahr wird diese Traumveranstaltung näher behandelt. Versprochen.

Linz, ein Heimspiel und nervige Freunde: Ein Konzertsommer 2023

Die heißeste Jahreszeit ist vorerst vorbei. Zeit, Revue passieren zu lassen.

Der heißeste Sommer unseres Lebens, der der kühlste Sommer für den Rest unseres Verbleibens hier auf der Erde sein wird. Super Voraussetzungen, um über ein paar Konzerte zu schreiben, die im heurigen Sommer vonstattengingen.

In Linz beginnt’s – Der Freitag am LIDO SOUNDS

Die Stahlstadt Linz gehört definitiv zu den Siegern des heurigen Konzertjahres. Mit den Arctic Monkeys und dem LIDO SOUNDS Festival mussten sich viele Wiener Musikfans plötzlich Gedanken darüber machen, ob in der oberösterreichischen Hauptstadt eine Bim nach 19 Uhr noch irgendwo hinfährt.

Das LIDO SOUNDS 2023 war eine schöne Abwechslung zum gängigen Großfestival-Lineup in Österreich. Am ersten Tag gastierten unter anderem My Ugly Clementine, Alt-J und Interpol am Linzer Donauufer. Zu den Highlights des Tages gehörte die Engländerin Anna Calvi, die mit ihrer ehrlichen Musik sogar die popsongaffinen Giant-Rooks-Ultras überzeugen konnte. Mit Arlo Parks wehte eine Brise frischer musikalischer Wind aus London durch das Festivalgelände.

Das ganze Ding abgerissen haben allerdings Florence and The Machine, die Expert*innen für metaphysische Publikumserweckung. Seit 12:50 Uhr trotzen alle Fans den wechselhaften Wetterbedingungen und wurden gut zehn Stunden später mit einer Show belohnt, die für Nicht-Fans schon fast bizarr wirkte. Buchstäbliche Magie schwebte rund um die Künstlerin. Alle warteten nur darauf, bis Florence Welch während ‚Dog Days Are Over‘ oder ‚Shake It Out‘ mit einem riesigen Lichtschein in den Himmel befördert wird.

Who Run The World? – Der Montag am ALL POINTS EAST

Beim Durchschauen von Festival-Lineups merkt man schnell, dass das Ganze meistens nichts mehr als eine einzige Würschtelpartie ist. Das Fehlen von FLINTA*-Acts auf Festivals ist wirklich ein großes Problem, wo seit Jahren nichts weiter geht. Dass es durchaus funktionieren kann, mehrheitlich weibliche Acts auftreten zu lassen, beweist der Montag am Londoner ALL POINTS EAST im Victoria Park.

Highlights gabs keine, da wirklich alle Acts Weltklasse aufspielten. Snail Mail hüpften im Gegensatz zu ihrer sehr gut gespielten melancholischen Musik, glücklich auf der Bühne herum. Die Norwegerin Marie Ulven Ringheim, besser bekannt als girl in red, löste bei vielen Laienfans Aha-Momente aus, da man viele ihrer Songs kennt, ohne sie der Vollblutmusikerin zuzurechnen.

„OH SHIT!“ schepperte es aus den ultramodernen Lautsprechern des Festivals, als HAIM ihre zweite Heimat London betraten. Es fühlte sich an wie ein kommerziell-familiäres Heimspiel, bei dem die drei Schwestern ihre Musik und ihr Leben generell zelebrierten. Dabei spielten sie alle Hadern, angefangen von ‚Forever‘ bis zu ‚Summer Girl‘ und ‚The Steps.‘ Das tiefenentspannte Publikum sang dabei mit, als ob sie ihr ganzes Leben nichts anderes gemacht hätten.

Ein Nacken und ein Krankenstand – Dog Race und Gag Salon im The Old Blue Last

Es gibt nichts anstrengenderes als Freund*innen, die über ihre Pubkonzerterlebnisse aus London berichten. Ja wir wissen es, du hast eine Band gesehen, die gut ist und sie mit Sicherheit in einigen Jahren in irgendeinem Nebenartikel im NME erwähnt wird. Aber bei Dog Race und Gag Salon im The Old Blue Last ist es anders! WIRKLICH!!

Dog Race aus Bedford gibt es schon seit einigen Monaten und bespielten auf DIY-Basis schon einige Konzertbühnchen in London und Umgebung. Im The Old Blue Last zeigte die Sängerin während ihren Gesangseinlagen, wie man effektiv die Nackenmuskulatur aufwärmt, während sich Bassist und Gitarrist einander die Akkorde zuspielten. Der Pianist hatte an diesem Abend sein Konzertdebut und seine Freundin war schon öfters in Wien und ihr gefällt es dort sehr. Der zuletzt erschienene Song ‚There’s a Mouse In My House‘ war natürlich auch dabei. Der Song, der vom Dry Cleaning-Mixer Ali Chant produziert und gemixt wurde.

Über Pferde, Waffen und Esskultur sagen die vier Londoner Spaßkanonen Gag Salon. Punkiger Funk auf Koffein und Schlafentzug, so kann man die leidenschaftlichen Regenjackenträger am besten beschreiben. Das Schlagzeug musste an diesem Abend ins Krankenhaus gebracht werden, weil es vom Drummer so lädiert wurde, dass ein mehrwöchiger Krankenstand notwendig ist. Als sich einige Leute beim Sänger für den Abend bedankten, war er kurz perplex und erwiderte, dass ER sich selbstverständlich für den Besuch bedankte, ehe er wieder schnell wergrennte und vergeblich nach Koffein suchte.

Ob Linz die Vormachtstellung im österreichischen Konzertgame übernimmt, ob es mehr weibliche Acts auf Festivals geben wird oder ob euch noch mehr Freunde mit ihren einzigartigen Indiekonzerterlebnissen nerven werden, kann nur der Kaffeesud vorhersagen. Nichtdestotrotz werden sich viele Musikliebhaber*innen an die Konzerte des Sommers 2023 zurückerinnern. Egal ob in Linz, London oder gar in Wien.