Das Rad selbst bauen: ‚Limine‘ von Macadamia

Das Artwork stammt vom Künstler Valentino Immordino.

Das Rad selbst bauen: ‚Limine‘ von Macadamia

Die Band aus Rom liefert Lichtblicke für den grauen Winter.

Was haben die Alben ‚Skiptracing‘ von Mild High Club, ‚InnerSpeaker‘ von Tame Impala und ‚Jinx‘ von Crumb gemeinsam? Alle drei Alben kann man sich immer und immer wieder anhören, ohne dass es langweilig wird. Mit der Band Macadamia gesellt sich eine frische Band aus Italien dazu, die mit ‚Limine‘ ein kurzes, aber sehr gelungenes Album erschaffen hat.

Macadamia sind Allesandra Guidotti am Gesang, Melodiengeber Andrea Cascini sowie der Schlagzeuger Emanuele Fusaro. Kennengelernt haben sich die drei beim römischen Villaggio Musicale, einem Forum für die italienische Musikszene. Die Bandmitglieder*innen sind fest verwurzelt in der Indie-Musiklandschaft des schönsten Nachbarlandes Österreichs. Allessandra Guidotti singt regelmäßig bei der Theatershow „Troisi Poeta Massimo“ mit und Andrea Cascini tritt mit Emanuele Fusaro bei anderen Nebenprojekten auf.

Macadamia sind Alessandra Guidini (Gesang), Emanuele Fusaro (Schlagzeug) und Andrea Cascini (Gitarre, Synth). Foto: DCER FOTOGRAFIA

 

Ein Rad mit Qualität

Limine ist ein Produkt eines langen Arbeitsprozesses. Ihre erste Singleauskopplung ‚Pollock‘ ist im Oktober letzten Jahres erschienen und erinnert an die verträumten Klänge von Beach House. Die Single ‚Prendi Fiato‘, die von der Bassline aus ‚The Less I Know The Better‘ von Tame Impala lebt, wurde Anfang des Jahres der Öffentlichkeit vorgestellt. ‚Frutta Fresca‘, ein lebendiger Song über die Schattenseiten des Lebens, kam im Sommer raus. Das Endprodukt ‚Limine‘ präsentiert die gesamte Arbeit der Band aus den letzten zwei Jahren. „Es ist wichtig, dass man regelmäßig veröffentlicht, ohne dabei die Qualität zu vernachlässigen,“ erklärt die Band in einem kurzen Nachrichtenaustausch mit saitenaufnull.at.

‚Limine‘ erfindet das Rad nicht neu. Warum auch? Räder funktionieren einwandfrei und brauchen keine Optimierung oder irgendwelche verkopfte Zusatzprojekte. Die Melodien sind vertraut, aber auf gar keinen Fall anbiedernd. ‚Hey Mon Amour‘ ist die Überraschung des Albums, da die Band hier zeigt, dass sie das Handwerk der Popmusik beherrschen können. Aufgenommen wurde das Album im Jedi Studio in Rom sowie im VDSS Studio in Frosinone. Unterstützt wurden sie dabei von den Szenekollegen Cristiano Colagrossi und Nacho Campo.

Was man Macadamia hoch anrechnen muss; sie bauen in ‚Limine‘ ihr Rad selbst. Trotz oder gerade wegen der vertrauten Klänge kommt aus dem Gesang sowie dem Schlagzeugrhythmus geballtes Leben raus. Der Song ‚Ritornerai‘ lebt von der Hoffnung auf eine Wiederkehr. Die Melodien aller Lieder prägen sich ein wie das Negativbild, wenn man die Augen schließt. Die Produktion der Songs stammen aus der Feder von Andrea Cascini und Emmanuele Fusaro. Die Texte schreibt Alessandra Guidotti. Sie entstanden auf dem Weg ins Studio in den Öffis, beim Fortgehen, oder bei anderen Möglichkeiten. Die Motive reichen von sommerlichen Erinnerungen bis zu augenblicklichen Erfahrungen, zu der Allessandra Guidotti die notwendige Tiefe liefert.

Die Band ist ein fixer Bestandteil der römischen Indieszene.
Foto: DCER FOTOGRAFIA

 

Zwischen Rock, Wut, Unsicherheit und Ruhe

Das subjektive Highlight ist definitiv der Song ‚Anna‘. Hier zeigt die Band was passiert, wenn man den Mut hat, sich einfach in die Musik reinzustürzen. Wie ein Sprung von der Klippe ins glasklare Meer. Im kalten Wasser angelangt, schweben in ‚Anna‘ die allseits bekannten Ängste und Erinnerungen mit, zu der viele relaten können. Ein einfaches „Wie geht es dir?“ holt einen am Ende wieder raus aus der Tiefe der Melancholie. Die italienische Musikjournalistin Roberta Matticola sieht diesen Song als Visitenkarte der Band. „In ‚Anna‘ gibt es Rock, eine kraftvolle Stimme, Wut, Unsicherheit und Ruhe.“

Den Abschluss des Albums macht der Song ‚Adele‘. Man muss den letzten Track in Ruhe mit Kopfhörern hören, um die Atmosphäre einzufangen. Hier spürt man wieder die Liebe zu Kevin Parker von Tame Impala, der den Song so auch hätte produzieren können. Objektiv betrachtet ist das der beste Song des Albums. Die Klänge transportieren Gefühle wie keines der anderen Songs. Inhaltlich geht es um den Verlust eines Lebenspartners und die Verarbeitung dieser Tragödie.   Musikalisch ist der Song komplexer als die anderen. Man hört Background-Vocals, Melodie- und Schlagzeugpausen. Ein idealer Song, um ein Album abzuschließen.

Macadamia arbeitete zwei Jahre am Debutalbum.
Foto: DCER FOTOGRAFIA

 

Fazit

‚Limine‘ von Macadamia ist ein Volltreffer in Sachen Gesamteindruck. Das Album kann man sehr oft, immer und überall hören, ohne dass es nur ansatzweise langweilig wird. Die Songs sind allesamt ein Ohrwurmgarant. Fast jedes Lied kann problemlos dafür sorgen, dass die Radios lauter gedreht werden. Klanglich bewegt sich das Album in der Mitte des letzten Jahrzehnts. Nichtsdestotrotz füllen Macadamia die ultracatchy Melodien mit einer gehörigen Menge Authentizität. Ein Album, mit dem der graue Winter um ein Vielfaches erträglicher gemacht wird.

Infos zum Album

Genre: Psychpop, Dreamrock
Label
: Sputnik Music Group, Sangrita Records
Produktion und Texte: Macadamia
Mix: Jesse Germanò
Master: VDSS Recording Studio

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