Ein Vorspiel zur Ekstase mit The Last Dinner Party

Für das wunderbare Artwork ist Cal McIntyre verantwortlich.

Ein Vorspiel zur Ekstase mit The Last Dinner Party

Ihr Debutalbum „Prelude to Ecstasy“ hebelt das Konzept der Maßstäbe aus.

Ignorante Menschen neigen dazu, aus ihren bisherigen Lebenserfahrungen unreflektiert Schlüsse zu ziehen. Beim Hören von The Last Dinner Partys Debutsingle „Nothing Matters“ dachte ich sofort an das berühmt berüchtigte Konzept der Industry Plant. „Nothing Matters“ klingt viel zu professionell, die Texte haben Substanz und die Melodien sowie Rhythmen sind perfekt aufeinander abgestimmt. Manchmal gibt es aber im Leben glückliche Fügungen. Einfach so.

Kennengelernt haben sich die Bandmitglieder*innen im Trubel der Süd-Londoner Intellektuellenpunkszene rund um Black Midi und HMLTD. Ein aufgenommenes Youtube-Video von einem ihrer ersten Gigs verschaffte The Last Dinner Party die Aufmerksamkeit bei den richtigen Leuten. Auf der Überholspur spielten sie Support für die Rolling Stones und Nick Cave. Die Musikblätter Londons stilisierten sie zum neuen heißen Scheiss. Alles noch, bevor sie einen Song releasten.

The Last Dinner Party have arrived | Dork

Foto: Patrick Gunning

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Zwei Jahre nach dem ersten Breitmachen auf dem musikalischen Parkett veröffentlichte The Last Dinner Party ihr Debutalbum „Prelude To Ecstasy“. Das Corporate Design der Band ist seit den ersten der unzähligen Auftritte unverändert. Barocke Kleider sowie für die ganzen neuen Londoner Bands wenig überraschende Elemente des Steampunk der 1920er-Jahre. Im Musikvideo zu „Caesar on the TV Screen“ findet man opulente Kleider, in „Nothing Matters“ ein Gebäude im Bauhaus-Stil. Das Artwork zum Debutalbum ist voll mit Sachen, die Florence And The Machine nach ihrer letzten Festivaltour aussortierte.

„Prelude to Ecstasy“ besteht aus zwei Gegensätzen, die normalerweise voneinander abschrecken. Das Intro „Prelude to Ecstasy“ erinnert an die Einspielmusik eines Ö1-Programmes, während man in „Burn Alive“ an die späten Arctic Monkeys denkt, die der Produzent dieses Albums, James Ford, ebenfalls fit machte.

Nach dem überwältigenden Start konzentriert man sich ab „Caesar on the TV Screen“ auch auf die Texte der Band. „I never felt like a child, i feld like an emperor with a city to burn.” Man weiß nicht, ob es hier um Caesar oder um die Sängerin Abigail Morris geht.

In Sachen selbstbewusster Bühnenpräsenz steht sie dem kultigen Konsul von damals um nichts nach. Bei „The Feminine Urge“ greift das Quintett das bekannte Meme-Format auf und dekonstruiert mit herausragendem Klang spielend die Argumente der genderobsessiven weißen Opas unserer Zeit.

The Last Dinner Party: the best new band you haven't heard yet

Foto: Universal Music

Nimm das, Opa

Dabei könnte man Opa fragen, wie es damals in der Glam-Zeit war und warum die ganzen Künstler*innen damals so geschlechtersprengend aussahen? In „On Your Side“ und „Beautiful Boy“ fühlt man sich an eine glatt produzierte Kate Bush erinnert. Speziell bei „On Your Side“ kommt auch die zache Schwere mit, die man bei Bowie in den ein oder anderen Liedern entdecken kann.

Aus migrationsgesellschaftlicher Sicht ist „Gjuha“ das absolute Highlight. Die Keyboarderin Aurora Nishevci, die ihren Job hervorragend macht, singt auf Albanisch und nimmt dabei den Volksmusikvibe des wunderschönen Balkanlandes mit. Die Überleitung zu „Sinner“ ist subjektiv betrachtet die größte Meisterleistung.

„Sinner“ und „My Lady of Mercy” sind eine Appreciation der beiden Gitarristinnen Lizzi Mayland und Emily Roberts sowie der Bassistin Georgia Davies. In Roberts Gitarrensolo bei „Sinner“ schlagen die Millenial-Herzen höher, da die Skinny-Jeans und Seitenscheitelträger dabei an ihre 2000er-Liebilngsbands denken. Maylands Kür ist „My Lady of Mercy“. Ein Song, der perfekt in eine nicht jugendfreie Szene zwischen Blair Waldorf und Chuck Bass aus Gossip Girl reinpassen würde. Georgia Davies übernimmt bei diesen Songs und überhaupt im ganzen Album die unrühmliche, aber immens wichtige Aufgabe des Zusammenhalts des Sounds.

Kate Bushs Reinkarnation geht bei „Portrait of a Dead Girl“ weiter, jetzt klingt es eher nach der immens einflussreichen Künstlerin. Die anfangs erwähnte Debutsingle „Nothing Matters“ macht es sich an vorletzter Stelle zwischen abgewelkten Rosen, Kerzenlicht und dem Duft nach geilem Abendessen gemütlich. Es macht Sinn, der Song ist das musikalische Pendant zur barocken Vergänglichkeit und der Tatsache, dass alle Dinge leider auch irgendwann einmal zu Ende gehen müssen. Mit „Mirror“ verabschiedet sich die Band endgültig mit einem schönen Klavier-Outro.

Foto: Dan Sullivan

Wie schauma aus?

„Prelude to Ecstasy“ ist ein Debutalbum der Meisterklasse. Sie präsentieren jetzt schon ein Gesamtpaket, wofür manche Künstler*innen ein ganzes Leben brauchen. Klanglich ist es eine sichere Bank, wo man nichts falsch gemacht hat. Keine Experimente, aber dafür umso mehr Energie von der Band.

An diesem Album wurde intensiv gearbeitet, weshalb auch alle Ecken und Kanten sorgfältig abgeschliffen wurden. Diese heben The Last Dinner Party für ihre Live-Konzerte auf. Mag man der hervorragenden Review von Andy Von Pip glauben, entfaltet sich die Magie der Band erst live auf der Bühne. Ich glaube der Gig in der Grellen Forelle werden die besten investierten 29 Euro meines Lebens sein.

The Last Dinner Party – „Prelude to Ecstasy”
Komposition & Lyrics: Rhys Downing, Georgia Davies, Abigail Morris, Aurora Nishevci, Lizzie Mayland, Emily Roberts
Produktion: James Ford
Mix: Alan Moulder
Master: Jimmy Robertson
Artwork: Cal McIntyre
Label: Universal Music