Meditieren zu Faye Websters „Underdressed at the Symphony“

Das Cover stammte aus der Linse von Fayes Bruder Luke Webster.

Meditieren zu Faye Websters „Underdressed at the Symphony“

Die Musikerin aus Atlanta veröffentlichte ihr fünftes Album.

Die einen laufen auf einen Berg, die anderen malen nach Zahlen. Faye Webster sitzt mit T-Shirt und Crocs im Konzerthaus und lässt sich vom Klang des Orchesters tragen. Eine teure Meditationsroutine. Immerhin lebt es sich arm und ausgeglichen besser als umgekehrt.

Entspannte Klänge

Faye Websters bisherige Alben würden sich super auf einer überteuerten Meditations-App vermarkten lassen. Na ja, fast. Das Debutalbum „Run and Tell“ kommt 2013 raus, während sie in Nashville lebt. Dementsprechend klingt auch das Album. Auf ihrer 2017 erschienenen Platte „Faye Webster“ bleibt die damals 20-jährige ihrem Badarrangement treu. Der Ton ändert sich allerdings fundamental. Die Formel lautet: Bedroom-Pop mit folkigen Country-Elementen, die mithilfe hirnkitzelnder Gitarrenriffs zutage getragen werden. Seitdem änderte sich Gott sei Dank wenig.

2019 veröffentlicht sie ihr drittes Album „Atlanta Millionaires Club“, bei der die Künstlerin in kreativer Sicht einen Quantensprung zurücklegt. Die Texte werden witziger, die Videos kreativer und das Cover zum Album deutet auf einen heißen Sommer mit reichlich Schokolade sowie Zeit für Entspannung hin. Der Sound ähnelt dem der Vorgängerplatte. Rhythmische Elemente und noch entspanntere Gitarren sind die Hauptzutaten der zum Album gewordenen Sonnencreme. Nicht minder witzig, aber umso melancholischer präsentiert sich Websters viertes Album „I Know I’m Funny Haha“, das zu den Highlights des Jahres 2021 zählt.

Foto: Michael Tyrone Delaney

Entspannte Klänge aber in laut

In „Underdressed in The Symphony“ arbeitet Webster auf, was sie seit „I Know I’m Funny haha“ alles erlebte. Eine Trennung, die neu entdeckte Liebe für klassische Musik und ein Wiedersehen mit ihrem alten Schulkameraden Lil Yachty. In „Lego Ring“ zeigen die beiden, welche musikalische Bandbreite die Stadt Atlanta anzubieten hat. Der Sound klingt rockig. Die sonst so ruhigen Gitarren sind an Overdrive-Pedalen angesteckt, damit zum Lil Yachtys Psychedelic-Trap-Autotune-Gesang eine Harmonie entsteht.

Der Band rund um Webster wird in diesem Album mehr Klangfläche eingeräumt. Im Opener „Thinking About You“ klingt die Gruppe präsenter und erwachsener als in den letzten Alben. Grund dafür ist wahrscheinlich das Klavier, das in fast allen Liedern bespielt wird, auch die lauteren Schlagwerke und Gitarren vergrößern die Stimmung. In „But Not Kiss“ und „He Loves Me Yeah!“ wird mit dem neuen Sound Faye Websters weitergespielt. Lautere Akzente, die wiederum in altbekannte Lap-Steel-Harmonien münden.

Foto: Michelle Mercado

Entspannte Klänge aber mit YoYos und Stress im Kopf

Kaum eine Person schafft es, mit gängigen Alltagsgedanken ein Werk mit Substanz zu schreiben. Durch die Musik, ihre Gesangsstimme und das rhythmische Timing öffnet Webster mit Zeilen wie „You should see my eBay purchase history, You can learn a lot about me” ein Portal in ihre eigene Welt, die aus einzigartigen Yo-Yo’s, Platten aus Athens, Ohio und melancholischer Tiefenentspannung besteht.

Dass Webster wie alle anderen Personen mit Existenzängsten konfrontiert ist, zeigt sie in der Nummer „Wanna Quit All The Time.“ Der Titel lässt schon vermuten, wohin die Reise hingeht. Sie zerdenkt ihre Gedanken und überlegt in regelmäßigen Abständen, einfach auf alles zu scheissen, da ihr die lästige Aufmerksamkeit am Oasch geht. „I’m good at making shit negative, Right now, I hate the color of my house.” „I think I’ll figure it out, uh-uh.“

„Wanna Quit All The Time“ erinnert an ihren Sound der letzten zwei Alben. Der rhythmische Kracher „Tttttime“ würde sich ebenfalls auf „Atlanta Millionares Club“ gut schlagen. Dumpfer Bass sowie die perfekt eingebettete Lapsteel-Gitarre prägen die Lieder. Der Song „Underdressed at The Symphony“ grüßt ihre 2022 erschienene EP „Car Therapy Sessions“, in der hier und da von ein paar Streichinstrumenten „Hallo!“ gesagt wird.

Foto: We are braindead

Entspannte Klänge ohne Stress

Während Faye Webster underdressed zur klassischen Musik im Publikum des Symphonieorchesters meditiert, verbinden anderswo Orchestermusiker*innen ihre Atemübungen mit dem Album „Underdressed At The Symphony.“ Klangbeiträge wie Lil Yachti’s Gastauftritt orientieren sich am Puls der Zeit, ohne anbiedernd zu sein. Die spielerischen Elemente des Albums harmonieren mit den angenehmen Stellen und sorgen so für einen wunderbaren Frühlingsnachmittag, die zwar ab und zu mit unangenehmen Gedanken einhergehen, dafür aber mit einem schönen Gefühl im Bauch.

Faye Webster – ‚Underdressed at the Symphony‘
Gesang:
Faye Webster
Gitarre und Bass:
Faye Webster, Bryan Hoawrd, Matt Stoessel
Klavier: Nick Rosen
Schlagwerke: Charles Garner, Paul Stevens
Arrangement Streichinstrumente: Annie Leeth

Produktion: Faye Webster, Drew Vandenberg
Mix: Drew Vandenberg
Master: Sarar Register
Artwork: Luke Webster
Label: Secretly Canadian