Was man hört, während einem die Webseite gebaut wird

Aus urherberrechtlichen Gründen wurde nicht das berühmte Meme von Lil Durk als Titelbild verwendet. (Hände zur Verfügung gestellt vom Vetonmischer.)

Was man hört, während einem die Webseite gebaut wird

Webseiten bauen gehören zu jenen Aufgaben, die von Laien maßlos unterschätzt werden.

von Martin Jeličić

In einem Anflug von Größenwahn dachte ich mir, dass ich mit sieben bis neun Klicks einfach so eine anständige Seite bauen kann, mit der ich schlagartig bei den 4gamechangers eingeladen werde. Bereits bei der Frage, was WordPress ist, wusste ich, dass es nicht so einfach sein wird. „Bei Tumblr funktioniert das doch auch“, sage ich Luca beim ersten Treffen Anfang März des Jahres 2022. Er tut sich die Aufgabe an, saitenaufnull.at aus meinem Kopf heraus in die Wirklichkeit umzusetzen. Warum Luca bei der Aussage wie besessen zum Lachen anfängt, wurde mir erst im Laufe des Prozesses klar.

Luca erstellt Webseiten für ein Unternehmen, dessen Name(n) ich aus rechtlichen Gründen nicht nennen möchte. Ich kann nur so viel sagen, dass Luca mich schon öfter angesudert hat, wenn es aufgrund von Tennisschlägern oder irgendwelchen Mumien einen kompletten Umwurf der Pläne im Unternehmen gab. Nach dem Ausmärzen der innerbetrieblichen Kollateralschäden greift Luca abends gerne zur Gitarre, die er mit rhythmischer Präzision und melodischer Vision (danke für nichts Reimlexikon) im Zaun hält, oder er setzt sich wieder zum Laptop und erfüllt die Web-Wünsche seiner Freund*innen.

Warum zur Hölle macht man das?

Während ich für jede Stimmungslage und Wetterperiode eine Playlist habe, haut Luca alles in seine STANDARD-Playlist auf Spotify rein. Vonseiten der Tageszeitung DER STANDARD muss Luca mit keinen Konsequenzen rechnen, da er aufgrund seines Arbeitsplatzes so ziemlich alles in diesem Land machen kann, was er will. Er und sein Chef können sowohl DEN STANDARD als auch mich einfach so kaufen, wenn sie wollen würden. Ob sein Chef die STANDARD-Playlist kaufen möchte, wage ich zu bezweifeln, denn mit einer Länge von 103 Stunden (Stand Sommer 2022) 118 Stunden (Stand Sommer 2023) ist es ein Albtraum für alle, die wenigstens ein bisschen Struktur in ihrem Leben haben möchten.

Bei einem Zusammenkommen irgendwann im Sommer 2022 dauert es genau sechs Minuten, bis Luca ins natürliche Habitat aller Webdesigner*innen ankommt: „He, what the fuck, warum funktioniert des ned?“ Ich sitze daneben und schaue drein wie Lil Durk in diesem Computer-Meme. Im Hintergrund läuft The Emperor’s New Clothes‘ von Shalosh, die Luca am internationalen Musikfest 2022 in Waidhofen/Thaya hemmungslos anjubelte. Shalosh hört sich soundmäßig ein bisschen an wie das Album ‚III‘ von BADBADNOTGOOD, nur dass die aus Tel Aviv stammende Band in einem Kulturmagazin auf 3sat vorgestellt werden würde und nicht bei TRACKS auf Arte.

In den Untiefen des Waldviertels sah Luca auch die niederösterreichischen enfants terribles Voodo Jürgens und die Ansa Panier, von denen er im Sommer 2022 ständig erzählt. Wie ich zum ersten Mal den Namen Voodo Jürgens gelesen habe, dachte ich, dass es der allerbeste Bandname aller Zeiten ist. Das war 2015 und Voodos Name stand in Vordernberg in der Steiermark auf einem Großplakat für die dritte Auflage des Rostfests in Eisenerz. Ebenfalls in der Steiermark. Während Luca im Spätsommer 2022 weiter seinen Computer beleidigt, läuft der Song Aungst haums‘ aus seiner Playlist für Leser*innen.

Augenrollen bis zum geht nicht mehr

Angst haben sollte man nicht, wenn Luca die undurchschaubaren CSS-Stylesheets einrichtet. Das war mein Stichwort, um beim achten Treffen im Spätsommer 2022 Off the Hook‘ von CSS in die Warteschlange einzuspeisen. Dieses Lied ist Teil des sagenumwobenen Soundtracks von FIFA 08, wo auch Wir sind Helden, Modeselektor, Travis und Santigold vertreten sind. So wie es sich für einen Dude gehört, kann ich euch eine FIFA-Playlist anbieten, die nur aus Nummern besteht, die ich privat hören würde. Keine Angst, man muss fürs Hören dieser Playlist kein anstrengender Cis-Dude auf einer Studentenparty in Graz-Geidorf sein.

Beim gefühlt neunundvierzigsten Treffen im Herbst 2022 springe ich auf und schreie: „OOOOIDA DES HOB I SCHON LAUNG NIMMA GHEAT!“ ‚The Fallen‘ von Franz Ferdinand bringt uns wieder auf Kurs Richtung fertiger Webseite. Mit Franz Ferdinand konnte ich daumois nie was gscheides anfangen, trotzdem habe ich es damals in Erwägung gezogen, drei Pfund Sterling für die digitale Version des Albums ‚You Could Have It So Much Better‘ auszugeben, so wie es im Booklet zur CD angeboten wird. Naja, als die Streamingdienste gekommen sind, hat sowieso niemand mehr eine CD gekauft.

Triggerwarnung: Eminem, Muse und Prokrastination

„Oida, saugeil Luca, des schaut richtig guad aus!“, sage ich, während die Internetseite passend zum Jahreswechsel 22/23 Gestalt annimmt. „Was willst du eigentlich damit machen?“ fragt er mich und erwartet ein auf dem Silbertablett serviertes Traumkonzept. Er hat das Pech, genau dann zu fragen, als das Lied ‚Fallen Leaves‘ von Billy Talent zu Ende geht. Beim nächsten Lied fange ich wie besessen zum Lachen an.

I’m beginnin‘ to feel like a Rap God, Rap God“ poppt aus der mit Bluetooth ausgestatteten PA-Anlage in Lucas WG-Wohnzimmer. Wie gesagt, Luca haut alles in seine geshuffelte STANDARD-Playlist rein. Verlässlich seit 2015. Gleich auf Eminems Rap God‘ kommt Plug in Baby‘ und ich raste komplett aus vor lauter geil. Den Ausraster beende ich voller Fremdscham, als ich mich wieder erinnern konnte, dass der Song von Muse ist.

„Ich weiß es nicht, was ich explizit machen werde. Was ich weiß ist, dass ich mir damit keinen Stress mache,“ antworte ich, nachdem ich mich vom Umstand erholen musste, einen Song von Muse gut zu finden. „Das will ich auch hoffen“, sagt Luca. „Denn ich werde mit Sicherheit noch ein paar Wochen brauchen, bis ich vom Programmieren her alles beinander habe.“ Geh leck. Na gut, dann habe ich in der Zwischenzeit genug Zeit, mir keine Gedanken für weitere Ideen zu machen.

Wie man sieht, sind die paar Tage Wochen Monate vergangen und die Webseite sieht gut aus. Vielen Dank an Luca, der meine verwobenen Vorstellungen aber sowas von exakt in die Tat umgesetzt hat! Jetzt heißt es nur noch hoffen, dass Lucas Chef meine Seite nicht aufkauft und selber anfängt, Musikblogs zu betreiben. Das würde glaube ich niemand aushalten.